Skip to main content

Alles über den Permafrost

Geschrieben von Dr. Frank Frick am . Veröffentlicht in Forschung & Umwelt.

Vor mehr als drei Jahrzehnten entstand das Konzept „Public Understanding of Science“ (engl.: Öffentliches Verständnis von Wissenschaft), das zu Stiftungen wie „Science et cité“ und Aktivitäten wie Wissenschaftsnächten, Wissenschaftscafés und Science Slams führte. Dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Forschung und ihre Erkenntnisse auch klassisch jedem Interessierten hervorragend vermitteln können, sofern sie dazu entsprechend motiviert sind, zeigt der im Oktober erschienene „Arctic Permafrost Atlas“. Verfasst von Forschenden des EU-Projekts Nunataryuk, beschäftigt er sich auf abwechslungsreiche und äusserst informative Weise mit denjenigen Regionen auf der Erde, in denen der Untergrund nahezu ganzjährig gefroren ist.

Wie unter anderem in der Ausgabe 28 des PolarNews Magazins berichtet („Untergrund, der es in sich hat“, S. 36), tauen die Permafrost-Böden aufgrund des Klimawandels immer mehr auf – mit enormen Auswirkungen für die rund fünf Millionen Menschen in den betroffenen Regionen, aber auch auf das Weltklima. Das Erdreich in vielen Permafrost-Gebieten verliert nach und nach an Stabilität und sackt in sich zusammen. Ganze Küstenabschnitte werden vom Meer davongerissen. „Das verändert die Ökosysteme, beschädigt die Infrastruktur und beeinflusst das Leben und die Arbeit der Menschen in der Arktis“, sagt Prof. Dr. Hugues Lantuit, Projekt-Koordinator und Leiter der Arbeitsgruppe Permafrost-Küsten am deutschen Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.

newsimage384615Ein Kliff in der sibirischen Arktis mit Überresten von Moorgebieten. (Copyright: Alfred-Wegener-Institut / Lutz Schirrmeister)

Der gefrorene Untergrund gilt als ein gewaltiges Kohlenstoff-Lager. Wenn er auftaut, könnte er Treibhausgase freisetzen, die so klimawirksam sind wie 50 bis 200 Milliarden Tonnen Kohlendioxid. Zum Vergleich: Der Kohlendioxid-Ausstoss durch menschliche Aktivitäten betrug im ganzen Jahr 2021 rund 37 Milliarden Tonnen.

Ein weiteres Problem ist, dass im Permafrost auch Schadstoffe und Krankheitserreger eingefroren sind, die bei steigenden Temperaturen freigesetzt werden können. Ein Beispiel ist das Milzbrand-Bakterium, das vor allem Rentiere und andere Huftiere befällt. Es kann aber auch Menschen infizieren. Eine solche Infektion kann unbehandelt zum Tode führen. Von Mensch zu Mensch wird der Erreger allerdings normalerweise nicht übertragen,

Das Besondere am Arctic Permafrost Atlas ist eine perfekte Mischung: 82 Karten und Grafiken höchster Qualität wechseln sich ab mit verständlichen Sachtexten aus erster Hand, künstlerischen Darstellungen und Stimmen von Menschen, die auf dem Gebiet des Permafrostes leben. „Karten sind mächtige Instrumente… Wo Worte nicht ausreichen, bieten Karten eine zusätzliche Ebene des Verständnisses“, schreiben Lantuit und Dr. Peter Harris, geschäftsführender Direktor des norwegischen Zentrums für Umweltkommunikation GRID-Arendal in ihrem Vorwort. „Andererseits können Worte und Geschichten eine Tiefe und einen emotionalen Kontext bieten, die Karten möglicherweise nicht darstellen können.“

Im Projekt Nunataryuk haben über 150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 13 Ländern zwischen 2017 und 2023 Permafrost-Forschung vor Ort mit Simulationen am Computer und mit sozio-ökonomischen Analysen kombiniert. Der Projektname Nunataryuk ist ein Begriff aus der im Nordwesten Kanadas verbreiteten Inuit-Sprache Inuvialuktun. Er lässt sich mit „zwischen Land und Meer“ übersetzen und bezieht sich auf die Küsten des Nordpolarmeers – der Bereich der Arktis, auf den sich die meisten menschlichen Aktivitäten konzentrieren.

Der Atlas ist im Internet als PDF-Datei frei zugänglich. Einziges Manko ist, dass alle Texte auf Englisch verfasst sind und es keine deutschsprachige Ausgabe gibt.

Arctic Permafrost AtlasBild: Alfred-Wegener-Institut